#107 Yadegar Asisi und das Zeichnen für die Menschlichkeit
Über die Kunst, die Welt mit allen Sinnen zu erleben.
Es wird gigantisch…
Hier ist etwas anders als sonst. Das sah ich schon, als ich ankam. Dank meiner Routen-App fand ich den Weg zu Yadegar Asisis Atelier ohne Probleme. Doch als mein Handy mir sagte: „Sie sind am Ziel“, stand ich vor einer imposanten Tür. Rechts davon die Klingeln – und da musste ich erst mal schlucken. Es sah ganz so aus, als würde der Mann, den ich gleich kennenlernen würde, nicht nur monumentale Bilder malen, nein, ich schien dabei in eine kleine Asisi-Fabrik einzutauchen. Denn als ich klingeln wollte, blickte ich auf eine breite Auswahl an Klingelknöpfen, von Yadegar Asisi über Asisi Studio bis hin zu Asisi Factory und diverse Ateliers - toll, wie spannend! Ich freute mich nun noch mehr auf die Einblicke!
Die Welt des Yadegar Asisi
Yadegar Asisi in seinem Panorama zu Dresden
Die Welt des Yadegar Asisi
In dieser Episode meines Kunst-Podcasts tauchen wir ein in die faszinierende Welt von Yadegar Asisi, dem Maler, der mit seinen monumentalen Panoramen, von Rom bis zum Great Barrier Reef, weltberühmt wurde. Ich spreche mit ihm über die Macht des Zeichnens, warum Kunst weit mehr ist als bloße Ästhetik und welche Verantwortung Künstler in unserer Gesellschaft tragen. Yadegar teilt seine Erfahrungen darüber, was es bedeutet, die Welt wirklich mit allen Sinnen zu erleben – und wie intensiv das Leben dadurch wird. Seid gespannt auf ein Gespräch voller Leidenschaft, Inspiration und kreativer Energie.
Im Atelier I (Foto: Caro Krakow)
Im Atelier II (Foto: C. Asisi)
Mit Überzeugung durch halboffene Türen gehen
Als Kind iranischer Eltern wächst Yadegar in der DDR auf und zeichnet, baut, spielt. Er sucht sich seine Wege selbst, überspringt die Bewerbungabläufe für Zeichenkurse und sein späteres Kunststudium, indem er die Arbeiten in seiner Mappe für sich sprechen lässt. Mit seinem bereits abgeschlossenen Architekturstudium, mehrjähriger Arbeit als aufsteigender Architekt und seinen künstlerischen Fähigkeiten, verbringt er einige Zeit im Iran und wendet sich nach und nach vollends der Kunst zu. Er bekleidet Professuren und verwirklicht vielfältige Projekte. Yadegar lässt sein künstlerisches Herz immer lauter sprechen, auch wenn das Scheitern und immer wieder Scheitern ein ständiger Begleiter seines Weges ist. Mit Überzeugung ergreift er sich bietende Gelegenheiten beim Schopf und stößt ganz frech viele “halboffene Türen” auf, um selbstbewusst hindurchzugehen.
Was das Fallenlassen einer Tasche, ein Stück Mauer im Vatikan und der Mount Everest damit zu tun haben? Das erfahrt Ihr beim Hören der Episode!
Aufbau in Konstanz (Foto: T. Schulze)
Zeichnen in einer übersättigten Gesellschaft
Für Yadegar Asisi ist das Zeichnen mehr als das Abbilden des jeweiligen Motivs. Seit seiner Kindheit lässt ihn das Zeichnen im Moment des Tuns die Welt mit allen Sinnen erfahren und ganz bei sich sein, einen Zugang zu seinen Emotionen erlangen:
“Zeichnen ist gefrorene Zeit!” Wenn er sich seine Zeichnungen später wieder anschaut, kommen darin alle Sinneseindrücke aus dem Moment des Tuns wieder zu ihm zurück.
Die heutige übersättigte Gesellschaft verlernt diese Fähigkeiten zunehmend. Unsere Sinne veröden, dabei waren die Sinneswahrnehmungen in alten Kulturen die Grundlagen des Lebens und Zusammenlebens. Kunst ist ein Weg, die Menschen wieder aufzuwecken. Yadegar möchte ihnen mit seinen immersiven Arbeiten und seiner Vermittlungsarbeit als Zeichenlehrer den Zugang zu sich selbst und der Welt zurückzugeben. In unserem Gespräch spricht er mitreißend, aus seinen Lehr- und Reise-Erfahrungen heraus, über die Chancen, die das Zeichnen und Malen auf dem Weg zu einer funktionierenden Gesellschaft bereithalten kann. Hört Euch das unbedingt an!
(Nachfolgende 4 Fotos von Felix Brede, Felix Brede, Tom Schulze / C. Asisi, Tom Schulze):
Die Verantwortung des Künstler:innen-Daseins
Yadegar hat sich bereits als Kind die Welt durch das Zeichnen erschlossen. Dennoch schlägt er den Weg des Künstlers erst nach seiner Karriere als Architekt ein. Warum?
Die Antwort auf diese Frage gibt Yadegar mit den Worten: “…weil das Künstlerdasein mit so viel Verantwortung behaftet ist.” Als er daraufhin die Bedeutung seiner Antwort ausführt, wird mir klar, dass ich diese Verantwortung auch selbst schon gespürt habe, sie mir aber bisher nie so konkret bewusst gemacht habe. Gemeint ist die Verantwortung, als Künstler:in eine gesellschaftlich relevante Präsenz in unserer aktuellen Zeit zu finden und den Menschen durch die eigene Kunst eine andere Art des Zugangs zur heutigen Welt und zu vergangenen Geschehnissen anzubieten. In den Reaktionen der Menschen auf Yadegar Asisis Panoramen manifestiert sich diese Verantwortung zur feinfühligen Bearbeitung von historischen Themen besonders stark.
Das Panometer in Wittenberg (Foto: T. Schulze)
Die Panoramen: 360° mit 1000 Augenblicken
Yadegar Asis ist Geschichtenerzähler. Betritt man eines seiner Panometer, taucht man vollständig ein in diese Geschichten - In Landschaften, Stadtansichten, Unterwasserwelten, welche die Betrachter:innen in gigantischen Ausmaßen umgeben und in ihren Bann ziehen. Die Projektionen nehmen uns mit nach Wittenberg zu Martin Luther, in das alte Rom oder nach Pergamon. Mit Erstaunen lassen sich in den Panoramen unzählige Szenen des menschlichen Alltags entdecken, die sich in der 360°-Betrachtung verflechten und uns ganz wort- und mühelos die Geschichte des damaligen Lebens erzählen, als seien wir ein Teil davon. Bei der Ausführung des Panoramas für Dresden nach dem Luftangriff für 1945 wird mir umso mehr die Verantwortung des Künstlers bewusst. Wie geht man mit solch einem Thema um?
Panorama zu Monets Kathedrale von Rouen (Foto: T. Schulze / C. Asisi)
Yadegar Asisi schafft es mit seinen Panoramen, der Gesellschaft dabei zu helfen, Geschichte zu begreifen, sie zurück in den Alltag zu holen und nicht mit dem Fragestellen aufzuhören. Er berührt die Menschen und lässt sie Geschichte mit allen Sinnen erfahren.
Ich sag’s ja: Einfach gigantisch!
Steige ein ins Zeichnen mit Yadegar Asisi
Am 18. November erscheint Yadegar Asisis Buch “Zeiten des Zeichnens - Warum wir alle zeichnen sollten”. Darin macht er sich dafür stark, dass das Zeichnen, genau wie das Lesen, Schreiben und Rechnen Teil unseres Alltags sein sollte. Er betrachtet das Zeichnen zuallererst als erlernbares und unverzichtbares Handwerk, das auch ohne Vorkenntnisse oder besonderes Talent unseren Alltag bereichern und unsere Sinne schärfen kann, und unsere Selbstwahrnehmung erweitert. Wenn Du Dir jetzt denkst, “Zeichnen ist doch kein Handwerk!”, dann schau doch mal auf Yadegars Youtube-Kanal vorbei und lass Dich überraschen!
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Link-Liste:
Mehr über Yadegar Asisi findest du hier:
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